Die Zürcher SVP hat ihr Albisgüetli, die Mitte des Kantons Luzern den «Politischen Aschermittwoch im Entlebuch». Ein gleichnamiger Verein, bestehend aus bekannten Politikern wie alt Nationalrat Ruedi Lustenberger, führt den Anlass seit zehn Jahren durch. Am Mittwochnachmittag fand er im Gemeindesaal Adler in Schüpfheim statt. Das Thema: die Weiterentwicklung der bilateralen Verträge. Im Dezember erklärte der Bundesrat die Verhandlungen für abgeschlossen, im Sommer soll die Vernehmlassung eröffnet werden.
Ein Stammgast am Politischen Aschermittwoch ist Gerhard Pfister. Der Mitte-Präsident lobte in seinem Einführungsreferat vor rund hundert Zuhörern und Zuhörerinnen die Verhandlungskünste der Schweiz. Gegenüber dem gescheiterten Rahmenabkommen habe sie in zwei Punkten einen Fortschritt erzielt: Erstens akzeptiere die EU unter bestimmten Bedingungen, dass eine Schweizer Verfassungsbestimmung Vorrang habe. Zweitens müsse die Schweiz keine EU-Gesetze übernehmen, welche den Lohnschutz schwächten.
Pfister identifiziert drei strittige Punkte: die Streitschlichtung, die Personenfreizügigkeit und den Lohnschutz. Der Zuger Nationalrat liess durchblicken: Er rechnet mit einem Nein des Volks, falls innenpolitisch keine flankierenden Massnahmen ergriffen werden.
An der anschliessenden Podiumsdiskussion unter der Leitung von «Nebelspalter»-Bundeshauschef Dominik Feusi lancierte Pfister dann prompt eine neue Idee: Ihm schwebt eine Art Brüsseler Bussen-Preisschild vor. Worum geht es? Die EU kann sogenannte «Ausgleichsmassnahmen» verhängen, falls die Schweiz in einem Abkommen EU-Recht nicht übernimmt. Für das Schiedsgericht ist dabei die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs bindend.
Faktisch sind die Ausgleichsmassnahmen Sanktionen für unliebsame Entscheide des Schweizer Volks. Das verträgt sich schlecht mit der direkten Demokratie. Auch weiss niemand, wie die Strafmassnahmen in der Praxis ausfallen würden.
Pfister sagte, man könne dieses Problem lösen. Geht es nach dem Mitte-Präsidenten, soll die EU im Vorfeld einer Abstimmung mitteilen, wie hoch die Busse bei einem Nein des Souveräns ausfallen würde. Offen bleibt die Frage, ob die EU für ein solches Vorgehen zu gewinnen wäre.
Auch für Marco Sieber stellt die dynamische Rechtsübernahme einen Knackpunkt dar. Sie sei das Hauptproblem, man wisse nicht, welche Gesetze die Schweiz künftig noch übernehmen müsse, sagte der Unternehmer aus dem Kanton Luzern. Sieber engagiert sich für die «Kompass»-Initiative, mit der sichergestellt werden soll, dass die neuen Verträge Volk und Ständen unterbreitet werden. Er plädierte dafür, die Zuwanderung um einen Drittel oder gar die Hälfte zu reduzieren; in den letzten drei Jahren betrug der Wanderungssaldo im Durchschnitt knapp 88'000 Personen.
Womit wir bei der Schutzklausel und Personenfreizügigkeit angelangt wären. Gerhard Pfisters Rezept lautet so: Der Bundesrat erarbeitet einen direkten Gegenvorschlag zur 10-Millionen-Schweiz-Initiative der SVP: Die Schweiz soll die Zuwanderung bremsen können, wenn sie in gewissen Branchen und Kantonen überdurchschnittlich hoch ist.
Und der Lohnschutz? Er wird durch das Abkommen aufgeweicht. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund will dies mit innenpolitischen Massnahmen kompensieren. Chefökonom Daniel Lampart: «Wir können es uns nicht leisten, dass die Löhne unter Druck kommen.» Pfister hingegen warnte vor zu vielen Zugeständnissen an die Gewerkschaften – der liberale Arbeitsmarkt stehe auf dem Spiel.